Hörgeräteversicherung Stiftung Warentest
Versicherungen für Hörgeräte bei Finanztest 9/2020
Ist eine Hörgeräteversicherung sinnvoll? Dieser Frage nahm sich der Finanztest 9/2020 der Stiftung Warentest an. Ihr ernüchternes Urteil lautet: Eine Hörgeräteversicherung sei „oftmals entbehrlich“. Zu diesem Ergebnis kam die Redaktion nach dem Vergleich verschiedener Versicherer. Die Herangehensweise war, ein einziges, spezifisches Beispiel an einer Handvoll Versicherern durchzuführen. Anhand diesen Beispiels wurde ein Kosten-Nutzen Urteil gefällt.
In diesem Fall sollte ein Hörgerät mit 715 € privater Zuzahlung versichert werden, das im dritten Jahr nach dem Kauf verlorengeht.
Doch bereits das Thema Reparaturkosten wird weitesgehend vernachlässigt (fälschlicherweise wird davon ausgegangen, dass diese immer von der Krankenkasse übernommen werden). Nicht nur deshalb darf die Repräsentativität des Vergleichs unserer Meinung stark angezweifelt werden.
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Wie wurde verglichen?
Im Vergleich des Finanztests 9/2020 werden zunächst die Versicherungen der fünf Hörakustikerketten Amplifon, Apollo, Geers, Gerland und Kind gegenübergestellt. Die Auflistung spezifischer Merkmale wie Laufzeit, Leistung und Gesamtbeitrag über fünf bzw vier Jahre, aber auch der davon unabhängigen Händler- bzw. Herstellergarantie geben Aufschluss über die Leistungen, die bei der entsprechenden Kette zu erwarten sind. Anschließend werden anhand des oben genannten Beispielmodells die genaue Beitragshöhe, die Erstattungshöhe bei Verlust und der Eigenanteil des Kunden inklusive Finanztest-Einschätzung (Niedrig, Mittel, Hoch, Sehr hoch) miteinander verglichen. Das Ergebnis ist unklar. Geht man nach dem Eigenanteil des Kunden, hat Apollo die Nase vorne.
Auf der nächsten Seite werden Versicherer im Direktvertrieb verglichen, die die Hörgeräte auch unabhängig vom Fachgeschäft versichern. Diese sollen durch die Mannheimer-Versicherung (einmal über den Akustiker, einmal über den Versicherer direkt) und die Wertgarantie repräsentiert werden. Während die Kosten der Wertgarantie mit einem Eigenanteil von 715 € als sehr hoch eingestuft wird, da sie im Falle eines Verlustest nicht zahlen würde (hierzu unten mehr), überzeugt hier auf den ersten Blick der Mannheimer Direktvertrieb mit einem Selbstbehalt von 296,50 € und einem Beitrag von 160 € für vier Jahre.
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Kritik Stiftung Warentest und Hörgeräteversicherung
Verlust der Hörhilfe
Laut Stiftung Warentest sei eine Hörgeräteversicherung in den allermeisten Fällen unnötig, da die Krankenkassen die Zuzahlung zum Hörgerät nach Verlust in jedem Fall erneut leisten würden. Dieser Schluss stützt sich auf einen Fall, bei welchem eine Nutzerin ihr rechtes Hörgerät nach einem halben Jahr verliert. Die Krankenkasse leistete die Zuzahlung erneut vollständig; von der Trägerin wurde lediglich eine eidesstattliche Versicherung verlangt.
In der Praxis ist die Krankenkasse nicht verpflichtet, eine erneute Zuzahlung zu leisten. Der Nutzer kann auf Kulanz hoffen. In einigen Fällen wird ihm diese auch gewährt, das ist jedoch kein Muss. Ein Interessent sollte sich dessen bewusst sein, bevor er sich gegen eine Hörgeräteversicherung entscheidet. Im Finanztest-Vergleich wird automatisch von einer erneuten Zuzahlung ausgegangen. Das ist so nicht richtig.
Reparaturkosten
Weiterhin wird davon ausgegangen, dass auch Reparaturkosten in jedem Fall von der Krankenkasse übernommen werden. Deshalb wird dieser Bestandteil einer Hörgeräteversicherung im Vergleich nicht weiter beachtet. Es wird sich darauf gestützt, dass das Zusammenspiel aus Gewährleistung, Herstellergarantie und Reparaturpauschale der Krankenkasse alle Schäden abdeckt. Das kann, muss aber nicht sein.
Während die Gewährleistung lediglich verspricht, dass das Hörgerät fehlerfrei an den Käufer übergeht, garantiert die Garantie bestimmte vom Hersteller festgelegte Funktionen über einen gewissen Zeitraum. In der Praxis umfasst das hauptsächlich Herstellungsfehler, Konstruktionsfehler und weitere Defekte, bei welchen sich der Hersteller oder Händler in der Verantwortung sieht.
Der für den Nutzer der Hörgeräte relevantere Aspekt ist die Reparaturpauschale, die die Krankenkasse gewährt. Diese übernimmt beispielsweise auch Kosten für defekte Hörer oder zerbrochene Bauteile, jedoch aber nur - und hier liegt der Fehler - bis durchschnittlich 160 € über die gesamten sechs Jahre bis zur nächsten Zuzahlung.
Man kann davon ausgehen, dass über die gesamte Nutzungszeit eines Hörgerätes mindestens ein Hörer ausgetauscht werden muss. Dieser kostet erfahrungsgemäß zwischen 120 € und 180 €. Dazu kommen womöglich Beschädigungen durch eigene Bedienfehler, Schweiß, zerbrochene Teile, unzulängliche Reinigung sowie Wartungskosten - die von der Krankenkasse geleisteten 160 € sind in den meisten Fällen also durchaus zu knapp bemessen. Eine Auflistung möglicher Reparaturen finden Sie hier.
Lediglich Ketten verglichen
Der Hörgeräteversicherungen-Vergleich der Stiftung Warentest beschäftigt sich nur mit den von Hörakustik-Ketten angebotenen Versicherungen. Vollständig außer Acht gelassen werden die einzelnen Hörakustik-Betriebe vor Ort, die mit zwei Dritteln den Großteil des Markt ausmachen und häufig Versicherungsmodelle zu besseren Konditionen anbieten. Die Vernachlässigung kleinerer Mitbewerber fällt auch bei früheren Tests und Vergleichen auf (vgl. Stiftung Warentest Ausgabe 11/2019 und 2/2018). Hervorgehoben wird auffällig oft die Kette Fielmann; selbst beim aktuellen Hörgeräteversicherungen-Vergleich und obwohl dort nicht einmal eine Versicherung angeboten wird. Fielmann betont: "Nach unserem Kenntnisstand gibt es keine Versicherung, die einen Mehrwert zu den kostenlosen Garantieleistungen von Fielmann bietet." Diesem Urteil scheint sich die Stiftung Warentest bedingungslos anzuschließen, ohne es zu hinterfragen.
Kaum Direktversicherer
Im Finanztest-Vergleich von Hörgeräteversicherungen wird die Gesamtheit aller Hörgeräte-Direktversicherungen durch nur zwei Anbieter dargestellt: Mannheimer und Wertgarantie. Zum einen wird durch die Wahl des unvollständigen Beispielfalles ein Haupt-Kernpunkt solcher Versicherungen außer Acht gelassen: Reparaturen. Zum anderen gibt es deutlich mehr Direktversicherer als die genannten beiden, die zum Teil bessere Konditionen aufweisen - Eine kurze Suchmaschinenrecherche hätte bereits genügt, um sie zu finden.
Mangelhafte Rechercheleistung zeigt auch die Darstellung der Wertgarantie Hörgeräteversicherung. Es wird angegeben, dass sie im Beispiel bei Verlust nicht zahlen würde, obwohl diese Option explizit mitgebucht wurde. Die Begründung: Die Wertgarantie leiste bei Verlust zwar den Zeitwert, in diesem Beispiel sei er jedoch nur etwa so hoch wie die Zuzahlung der Krankenkasse. Da die Wertgarantie erst zahlt, nachdem Leistungen Dritter (bspw. Krankenkassenanteil) abgezogen wurden, sähe sich die Versicherung nicht in der Pflicht, etwas zu erstatten. Im Beispiel bliebe die Dame auf den 715 € Eigenanteil sitzen. So weit, so richtig - doch wie bereits erwähnt, darf nie davon ausgegangen werden, dass die Krankenkasse bei Verlust erneut eine Zulage gestattet.
Was würde im Stiftung Warentest-Beispiel also passieren, wenn die Krankenkasse nicht erneut zahlt?
Ohne Versicherung bliebe die Nutzerin auf den vollen 1500 € sitzen.
Mit Versicherung werden 715 € davon übernommen.
Fairerweise hätte zusätzlich erwähnt werden müssen, dass der Betrag der Zeitwerterstattung mit den Jahren sinkt. Das heißt: geht das Hörgerät bereits nach einem halben Jahr verloren, ist der Erstattungswert deutlich höher, als nach den beispielhaften drei Jahren. Dieses Risiko gilt es, persönlich abzuwägen - Das Hörgerät kann schließlich jederzeit verlorengehen.
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Fazit: Was stimmt nun?
Die Finanztest-Redaktion hat einige Grundmechanismen zur Thematik Hörgeräte und Hörgeräteversicherungen bedingt vollständig dargestellt und aus unserer Sicht oberflächlich recherchiert. Der Beigeschmack von einer subjektiv-negativen Grundeinstellung gegenüber Hörgeräteversicherung schwingt beständig mit. Sicher gibt es Hörgeräteversicherungen, die sich nicht rentieren; wie zum Teil auch richtig dargestellt. Eine Hörgeräte Versicherung per se als "bedingt geeignet" darzustellen und sich auf wenige Marktteilnehmer zu konzentrieren, hat uns durchaus überrascht - einer vollständigen und unabhängigen Einschätzung wird der Finanztest nicht gerecht.
Für Interessenten steht fest: Fragen Sie am besten vor Ort nach, lassen Sie sich beraten und vergleichen Sie selbst. Eine Hilfe bietet auch unser unabhängiger Hörgeräteversicherungen-Vergleich.
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